Altbischof Prof. Dr. Wolfgang Huber ist zu Gast beim Lichtenberger Dialog 2023 „Frieden schaffen – ohne Waffen!?“ – am 17. Oktober 2023 um 19:00 Uhr im Haus des Kirchenkreises, Schottstr. 6, 10365 Berlin. Der Titel seines Vortrages lautet: „Der Ukrainekrieg als friedensethische Herausforderung“. Thomas Prinzler hat dazu mit Wolfgang Huber ein Interview geführt.

Thomas Prinzler im Interview mit Altbischof Prof. Dr. Wolfgang Huber

Der 24. Februar 2022 ist eine Zeitenwende: Russische Truppen überfielen die Ukraine. Seitdem führen Putins Soldaten einen grausamen Krieg, der sich völkerrechtswidrig auch gegen zivile Objekte und gegen die Bevölkerung richtet. Die westliche Welt unterstützt die Ukraine mit Waffen, Panzern, Munition, doch ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Helfen immer mehr Waffen, den Frieden wieder herzustellen? Nein, meint die Theologin Margot Käßmann im Interview mit sonntagsblatt.de. „Ich selbst habe mich als Pazifistin klar gegen Waffenlieferungen geäußert. Denn ich sehe in immer noch mehr Waffen keine Lösung, sondern eine Eskalation.“  

„Frieden schaffen ohne Waffen“, lautete der Slogan der DDR-Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre. Aber ist damit der Krieg zu beenden? „Wir haben einen klassischen Fall eines Angriffskrieges“, sagt Wolfgang Huber dagegen, ehemaliger Berlin-Brandenburger Landesbischof, der wie Käßmann auch Ratsvorsitzender der EKD war. Russland setze politische Interessen mit Gewalt durch. „Nach Maßgabe der Charta der Vereinten Nationen hat derjenige, der davon betroffen ist, das Recht, sich dagegen zur Wehr zu setzen und nicht einfach zu kapitulieren. Diese Situation haben wir schrecklicherweise. Und da müssen wir uns auch in der christlichen Friedensethik damit auseinandersetzen, dass die Wiederherstellung des Rechts im äußersten Notfall auch das Mittel der Verteidigung mit militärischen Mitteln einschließt.“

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, heißt es in der Erklärung der ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rates von 1948. Und so lautete auch im vergangenen Jahr bei der letzten Ratsversammlung eine Resolution, die unterzeichnet wurde von christlichen Friedensinitiativen und von vielen Theologen und Theologinnen wie Margot Käßmann oder auch dem langjährigen Generalsekretär des Weltkirchenrates  Konrad Reiser. Wolfgang Hubers Unterschrift fehlt. 

„Ich halte es für irreführend, in dieser Situation der Selbstverteidigung, der Aufrechterhaltung der politischen Integrität eines demokratischen Staats zu sagen, Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein, statt zu sagen, dieser Krieg, der angefangen hat durch einen Angriffskrieg Putins, der darf nicht sein… Ich sehe im Augenblick nur die Möglichkeit der Gegenwehr und dann so bald wie möglich zu versuchen, zu Verhandlungen, zum Waffenstillstand zu kommen“.

Im Ziel sind sich alle einig, Frieden schaffen, so schnell wie möglich. „Es muss doch zuallererst darum gehen, die Waffen zum Schweigen zu bringen,“ sagt Käßmann und lehnt Gewalt und Waffenlieferungen ab. Für Huber der falsche Weg. Zwar sei die Rechtfertigung von Gewalt grundsätzlich nicht möglich, aber die Frage bleibe: „Welche Instrumente hat man zur Verfügung, Gewalt, die faktisch ausgeübt wird, an ein Ende zu bringen? Und auch da gilt, Gewaltlosigkeit hat den Vorrang vor allen Mitteln der Gewalt“. Aber nach Hubers Ansicht kann sich christliche Friedensethik nicht darauf beschränken, dem Angegriffenen zu empfehlen sich einfach hinzusetzen „und eine Stadt nach der anderen von den Russen erobern (zu) lassen ohne Gegenwehr.“

Viele Christen und Christinnen sehen sich in einem Dilemma: Einerseits heißt es im 5. Gebot „Du sollst nicht töten“ und andererseits muss das Töten auch beendet werden. „Menschen sollen einander in der Integrität ihres Lebens achten und nicht das Leben anderer Menschen töten“, so Huber, „aber das schließt auch ein, nicht töten zu lassen.“  Das Dilemma bleibt. Und das Leiden daran. Aber wie kann man damit umgehen? Sieht Wolfgang Huber dafür eine Lösung? „Ja, vielleicht, dass sie ihr Leiden unter diesem Dilemma in ein Verhältnis setzen zu dem Leiden der ukrainischen Bevölkerung, zu dem Leiden derjenigen, die ihre Heimat verlassen, weil sie es da nicht mehr aushalten.“ Und wir können ihnen einen „Ort des Friedens“ anbieten, ihnen damit helfen, „hier bei uns oder anderswo in einer Form zu leben, in der sie von dieser Gewalt nicht mehr Tag für Tag betroffen sind. Dazu beizutragen, dass die Kinder aufwachsen können, in die Schule gehen können, nicht verlorene Jahre haben. Das sind alles konkrete Aufgaben, die ich für sehr, sehr wichtig halte und von denen ich mir sehr wünsche, dass wir als Land und als Einzelne noch mehr dazu beitragen.“ 

Thomas Prinzler

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