Es ist leicht, der Mehrheit zu folgen, sich der Menge anzuschließen und mitzugehen. Das haben wir sicher schon in verschiedenen Bereichen erlebt: in politischen oder gesellschaftlichen Fragen, in Fragen der Lebensgestaltung oder auch der Religion.
Abtauchen, nicht auffallen, miteinstimmen. Selbst auf dem Schulhof, am Arbeitsplatz, in Familien oder in Kirchengemeinden: auf der Seite der Gewinner*innen zu stehen gibt ein gutes Gefühl. Man gehört dazu, hat die Mehrheit neben sich und es lebt sich leichter.
Das eine Mehrheit aber nicht immer in die richtige Richtung läuft, dass sie sogar auch im Unrecht sein kann, davon erzählt schon die Bibel:
Ich denke an die Mehrheit, die das goldene Kalb bejubelte und an die Mehrheit, die vor Pilatus die Kreuzigung Jesu gefordert hat.
Ich denke aber auch an all die autokratischen und totalitären Herrschaftssysteme im 20. Und 21. Jahrhundert, in Deutschland und weltweit. Allen voran die NS-Dikatur.
Heute leben wir in einer Demokratie. Ende Mai wurde 75 Jahre Grundgesetz gefeiert. Doch umso mehr müssen wir heute unsere Demokratie schützen: die AFD hat hohe Umfragewerte, auf Social Media gehen populistische Posts und einfache Antworten viral, Aktivismus wird dagegen gedrosselt, Übergriffe auf Politiker*innen und ehrenamtliche Wahlhelfer*innen nehmen zu, genauso wie Hass und Hetze im digitalen und analogen Raum.
Ein Pfeiler der Demokratie ist zum Beispiel die Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit aber bedeutet eben nicht, dass alles gesagt werden darf. Hass, Diskriminierungen und Abwertungen sind keine Meinung. Wenn der Rahmen des Sagbaren überschritten wird, müssen wir laut werden, das Unsagbare benennen und uns für eine Vielfalt des Lebens und der Menschen einsetzen.
Unser Glaube kann Antrieb für uns Christ*innen sein, dass wir nicht unhinterfragt der Menge folgen und dass wir uns für das Leben, die Vielfalt, Freiheit und Gerechtigkeit einsetzen. Denn, so erzählen es schon die ersten Kapitel der Bibel, alle Menschen sind zum Ebenbild Gottes geschaffen, unsere Schöpfung ist auf Vielfalt angelegt und lebt in Beziehung zu Gott und in Beziehung zu- und untereinander.
Deswegen haben die drei evangelischen Kirchengemeinden in unserer Region, Altglienicke, Bohnsdorf-Grünau und Adlershof, Demonstrationen unter dem Titel „Für+MITeinander. Für Demokratie. Gegen Ausgrenzung“ über die Sommermonate organisiert. Kommen Sie gerne dazu! Lassen Sie uns gemeinsam einsetzen und laut sein: für eine bunte, tolerante und gerechte Gesellschaft und Kirche und eine wehrhafte, lebendige Demokratie.
Der Monatsspruch für Juli, soll uns stärken, Rückenwind geben und erinnern: „Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“ 2. Mose 23,2
Ihre Pfarrerin Maike Schöfer
Foto von Hannah Busing auf Unsplash