Liebe Gemeinde, liebe Leserinnen und Leser!
„Ist jemand in Christus…“
Ich sitze auf einer Bank in einem kleinen Gemeinschaftsgarten mitten in Berlin. Mir ist noch nie aufgefallen, dass zwischen den Ritzen der Bank die Gräser durchwachsen. Denn eigentlich sitze ich oft hier.
Dieser kleine Garten ist nicht nur Garten, er hat auch Spielgeräte und ein Volleyballfeld, eine Kräuterspirale, viele Sitzgelegenheiten. Und alles ist etwas wild hier. Etwas ungezähmt. Alles hat hier irgendwie etwas mehr Platz. Alles darf über Ränder wachsen. Nichts muss Angst haben rausgerupft zu werden. Alles wird mit Bedacht und Zeit gepflanzt von den Gärtnerinnen.
Ich weiß nicht, ob die Gärtnerinnen auch Christinnen sind. Man sieht ja schließlich Menschen ihren Glauben nicht an. Sie tragen kein Fan-Shirt und haben auch keine sichtbaren Mitgliedskarten um den Hals hängen. Nein, in Christus sein bedeutet sich für Christus entschieden zu haben, so wie Christus sich für uns schon zuvor entschieden hat. Das beinhaltet ein Ja zum ewigen Leben. Ein Ja, dass wir eben Menschen sind mit Fehlern, aber trotzdem von Gott* geliebt sind. Ich weiß nicht, ob die Gärtnerinnen in Christus sind, aber ich weiß, dass Gott* bei ihnen ist.
„…so ist er eine neue Kreatur…“
Das Grundstück, auf dem der kleine Garten entstanden ist, sollte eigentlich verkauft werden – hier sollte ein Supermarkt entstehen. Aber einige ältere Damen haben sich dagegengestellt und die Vorteile eines innerstäd- tischen selbstverwalteten Gartens betont. Sie konnten sie überzeugen. Und nannten sich Beet-Schwestern. Sie haben alles selbst gemacht, ein bunter Haufen alter Damen. Und so haben sie alles zusammengesammelt, was die Stadt nicht mehr gebrauchen konnte und eine kleine Oase geschaffen.
Und während ich hier sitze, gärtnern in maximaler Langsamkeit die Damen um mich herum. Schubkarren knattern an mir vorbei. Ich höre einen Spaten, wie er in die Erde einsticht, eine macht Pause, zwei unterhalten sich laut und die eine lacht mit rauchiger Stimme. Eine, mit großen Händen und langen, ungekämmten Haaren pflanzt Blümchen zart in die Erde. Ich höre die Vögel zwitschern. Die Blätter in den Bäumen rascheln.
„…so ist er eine neue Kreatur…“
Wenn wir in Christus sind, transformieren wir uns nicht wie eine Raupe in einen Schmetterling, also in einen anderen äußerlichen Zustand. Nein, das klingt nach zaubern. Vielmehr verändert sich etwas im Inneren. Die Haltung. Die Hoffnung. Der Antrieb.
Und das geschieht nicht nur einmal, sondern kann immer wieder neu entstehen – so wie die Bäume jedes Jahr neue Blüten bekommen, so bekommen wir vielleicht auch immer wieder neuen Anschwung, Antrieb, dass es doch weiter geht, irgendwie. Hoffnung auf ein ewiges Leben, dass der Tod nicht das Ende ist. Und wieder auch eine neue Haltung, eine neue Sichtweise auf das Leben, so wie ich heute. Die Art und Weise wie gegärtnert wird, begeistert mich. Das Gärtnern hat hier nicht ein Ziel, sondern es geht um das Leben selbst. Um Schöpfung schaffen und bewah- ren, mit eigenen Händen.
„…das Alte ist vergangen, siehe, das Neue ist geworden.“
So wie auch hier im Garten, die verwelkten, vertrockneten, Blüten und Blätter zusammengetragen werden, so trägt auch Gott* unsere alten, verwelkten Teile unseres Inneren zusammen, das können Gefühle, Erlebnisse, Denkweisen, Gewohnheiten sein.
Aber alles Verwelkte wird nicht weggeworfen im Garten. Es kommt auf den Kompost und daraus entsteht neue Erde. Auch unsere Reste bilden den Grund, den Nährboden für Neues. Unsere Geschichte, unsere Biografie wird nicht ausgelöscht. Nein, unsere Biografie gehört zu uns und prägt uns. Man kann uns nicht ansehen, was wir erlebt haben. Aber eine schon. Gott*. Sie hält die Bruchstücke unseres Lebens zart in ihren Händen, streichelt sie, geht damit sorgsam um und sucht einen neuen Platz. Damit daraus Neues werden kann. Es ist so wie im Garten: Alles wird mit Bedacht und Zeit gepflanzt. Das Alte ist vergangen, das Neue ist geworden.
An meinem Kühlschrank hängt ein Magnet. Darauf steht:
Da hilft nur noch beten. Jetzt verstehe ich. Ich ergänze ein zweites „e“ – „beeten“. Da hilft nur noch beeten.
Ihre Pfarrerin M. Schöfer
Titelbild: NAME DER FOTOGRAFIN© Sandra Hirschke / fundus-medien.de