Liebe Gemeinde,

nehmen Sie ich einen Moment Zeit für diese Fragen:

Dankbarkeit – dafür ist Zeit zum Nachdenken in den Wochen um das Erntedank-Fest herum, im Herbst, wenn die Wärme des Sommers Platz macht für Regentropfen und kühlen Wind und dieser von bunten Blättern geziert wird. Dann können wir unsere Gedanken mit dem Wind schweifen lassen und uns fragen: Wofür bin ich dankbar? 

Das wir zum Erntedankfest ein Fest in unserem Kirchenjahr haben, das die Dankbarkeit in den Blick nimmt, ist ein Schatz. Zu schnell geht die Dankbarkeit im vollen Leben unter. Der alltägliche Trubel kann den Blick und den Zugang für das Gute im Leben verstellen: für die Lichtblicke in unserer Welt, für die heilsamen Momente und für die Tage an denen wir getragen werden. Manchmal geht all das unter – liegt zwischen Papierstapeln und ungebügelter Wäsche und wartet nur darauf aus dem Dunkel des Alltäglichen hervorgeholt zu werden.

Angelehnt an eine alte Geschichte können wir mit einer kleinen Übung das Gute in unserem Leben sichtbar machen und Dankbarkeit üben.

Es war einmal ein Bauer, der steckte jeden Morgen eine handvoll Steine in seine linke Hosentasche. Immer, wenn er während des Tages etwas Schönes erlebte, wenn ihm etwas Freude bereitete, er einen Glücksmoment empfunden hatte – etwas, wofür er dankbar war –, nahm er einen Stein aus der linken Hosentasche und gab sie in die rechte.

Am Anfang kam das nicht häufig vor. Aber von Tag zu Tag wurden es mehr Steine, die von der linken in die rechte Hosentasche wanderten. Der Duft der frischen Morgenluft, der Gesang der Vögel, das Lachen eines Menschen, das nette Gespräch mit einer Nachbarin – immer dann wanderte ein Stein von der linken in die rechte Hosentasche.

Bevor er am Abend zu Bett ging, betrachtete er die Steine in seiner rechten Hosentasche. Und bei jedem Stein konnte er sich an ein schönes Erlebnis erinnern. Dann schlief er dankbar ein – auch an den Tagen, an denen er nur einen einzigen Stein in seiner rechten Hosentasche fand.

Vielleicht sollten wir es dem Bauern gleichtun. Damit erhalten wir uns einen wachen Blick und ein offenes Herz für die Lichtmomente in unserem Leben, in unserer Welt und für Gott*. 

Ihre Pfarrerin Maike Schöfer

Foto: Lotz